Als ich andere Rezessionen über “Rechtschreibung klipp und klar erklärt” von Annika Lamer gelesen habe, ist mir eine allgemeine (rhetorische) Frage ins Auge gefallen: Wer würde gerne ein Buch über Rechtschreibung lesen? Ich, innerlich: “Wer nicht??!! Wer würde nicht ein neues, modernes Buch über das Thema durchblättern? Ein Buch das das Thema ganz locker angeht? Ein Buch dessen Schriftstellerin eine Bloggerin und erfahrene Texterin ist?” Und Lamers Buch ist all das und mehr. Um die Autorin zu zitieren: “keine Sorge: Wir schauen uns alles Schritt für Schritt an”.
kurz geschrieben
Seit einigen Monate mache ich mir ständig Gedanken, wie ich einen Blog starten kann und was ich alles dafür brauche. Im Sommer bin ich über “Rechtschreibung klipp und klar erklärt” gestolpert und ist mir plötzlich klar geworden, dass ich ohne gute Deutschkentnisse nichts erreichen werde. Andererseits war ich schon immer ein Fan davon, das englische Grammatikbuch und Wörterbuch zu lesen. (Also lesen. Wie einen Roman. Nur so, zum Spaß). Diese beiden Gründe haben mich dazu gebracht, Lamers Blog zu folgen und letztendlich ihr Buch auf der Frankfurter Buchmesse zu kaufen.
Das Originelle am Buch sind Sina und Gerrit. Die beiden sind Rechtschreibbegeisterte und begleiten die Leserin durch sechs große Themen: wann man Wörter groß- und kleinschreibt, wann man Wörter zusammenschreibt und wann getrennt, Grammatik-Hürden, Fremdwörter, Zeitangaben und Abkürzungen. Der Anfang jedes Kapitels umfasst eine zwei- oder dreiseitige Zusammenfassung und gibt der Leserin einen Vorgeschmack auf das, was auf sie wartet. Dazu gibt es noch eine Übersicht der Unterthemen, die im Kapitel angesprochen werden. Die Autorin scheint fest daran zu glauben, dass Vorfreude die schönste Freude ist: “Los geht es mit der Herausforderung, in schwierigen Konstruktionen, den korrekten Fall zu wählen.” Eine bessere Motivation, durch die darauffolgenden Unterkapitel zu blättern, gibt es nicht. Außer vielleicht, dass jedes Unterthema durch einen kurzen Dialog zwischen Sina und Gerrit eingeführt wird. Man erkennt Themen und Situationen aus dem Alltag und dadurch wird die Leserin auf die Struktur der deutschen Sprache, die für so viele selbstverständlich ist, aufmerksam gemacht.
Schwerpunkte
Ob es überhaupt möglich ist “mit Leichtigkeit zu korrekten Texten” zu kommen, wie die Autorin auf dem Cover lächelnd verspricht ist für mich, als Ausländerin, immer noch ein Rätsel. Ganz systematisch habe ich Deutsch vielleicht ein Jahr lang gelernt und danach meistens durchs Sprechen, “Deutsch perfekt” ab und zu Lesen und Fehler machen. Lamers Buch zu lesen, bedeutet für mich Regeln zu lernen, von denen ich keine Ahnung hatte und Deutsch zu lernen, so wie es sich gehört. Systematisch, aber nicht streng. Klar, aber nicht vereinfacht.
Die Autorin erklärt die Regeln der Rechtschreibung logisch und schlägt so viele Abkürzungen und Generalisierungen wie möglich vor. Dazu weist sie auch gerne auf schlauen Tests hin, die einem helfen, die Wortart zu erkennen. Dass man Adjektive mit wie erfragt und Substantive mit was, ist, denke ich, kein großes Geheimnis. Lamer schlägt aber immer wieder auch andere “Tricks” vor. Man muss sie sich nur noch merken, z.B. wenn man Blogbeiträge schreibt.
Lamer hält sich fest an die Duden-Regeln. Es gibt Fälle, wenn der Duden zwei Schreibweisen erlaubt, und an solchen Stellen empfehlt sie eine Schreibweise, die für sie nachvollziehbar ist. Aber die Logik und die Abkürzungen haben auch ihre Grenzen und das gibt die Autorin zu. Bei der Groß- oder Kleinschreibung der Adjektive von festen Begriffen gibt es überhaupt keine Möglichkeit eine Regel abzuleiten. Wenn es sich um “die grüne Welle” und “den Gelben Sack” handelt, hilft meistens nur noch nachschlagen.
Handhabung
Das Format des Buches ist lesefreundlich und vereinfacht die Lernerfahrung. Die Seiten sind “luftig” gestaltet, in dem Sinne, dass es viel Platz am Textrand und zwischen den Paragraphen gibt. Man kann sehr schön Notizen machen und eigene Beispiele notieren. Parallel las ich einen Roman und mir sind ständig Rechtschreibbeispiele aufgefallen. Ich fand es daher lustig, Sätze aus dem Roman an der relevanten Stelle von Lamers Buch aufzuschreiben.
Dass Rot als die Farbe der richtigen Beispiele ausgewählt wurde, fand ich etwas merkwürdig. Man benutzt Rot üblicherweise, um Fehler zu korrigieren. Grün wäre vielleicht freundlicher gewesen, aber letztendlich ist alles eine Sache der Gewohnheit. Außerdem springt das Rot beim Durchblättern gleich ins Auge. Die falschen Schreibweisen sind im Buch mit einem Sternchen markiert. Persönlich hätte ich mich für das klassische Durchstreichen entschieden, aber das Sternchen hat eine gewisse Anziehungskraft. Man wundert sich ohne Ende warum und wieso und wer diese Regeln aufgestellt hat. Wie Mrs. Ramsay in Virginia Woolfs “Der Fahrt zum Leuchtturm” sagt, sind solche Fragen unlösbar.
als Schlusswort
Die Frage ob Rechtschreibung im digitalen Leben heutzutage noch relevant ist, findet schon eine Antwort im Lamers Buch. Während es vielleicht noch gewisse Ansprüche an einen mit einem Texteditor geschriebenen Text gibt, stehe Sorgen um die Grammatik beim Whatsappen nicht im Vordergrund. Das sollen sie auch nicht. Es liegt aber ein winziger Unterschied zwischen “Hey, Du” und “Hey, du”. Denn man spricht und schreibt nicht nur mit Wörtern. Der Kontext der Unterhaltung, die Beziehung zum Gesprächspartner und vielleicht sogar die zeitliche Distanz zur letzten Mahlzeit sind die wichtigsten Anteile in der Kommunikation. Die Rechtschreibung ist einfach noch ein zusätzliches Teil im Puzzle der Beziehungen zwischen Menschen, und Sina und Gerrit zeigen das auf lockere und nachvollziehbare Weise.
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